Die Stiftung
Ehrenhof als Beispiel einer öffentlich - privaten
Kooperation
Kulturförderung
aus privater Hand hat auch in Deutschland eine lange
Tradition. Die klassische Form des Mäzenatentums wurde
gepflegt von Unternehmern wie Robert Bosch, Gottlieb Daimler
oder Friedrich Krupp und beruhte im allgemeinen auf
persönlichen Neigungen und Kontakten. Neben ureigenen
Vorlieben kennzeichneten überwiegend altruistische Motive
diese Art des Engagements für Kunst und Kultur.
In den
vergangenen Jahren hat sich die Kulturförderung in
Deutschland stark gewandelt. Seitdem das Kultursponsoring
als Marketing- und Werbeinstrument entdeckt worden ist, sind
es heute nur noch selten einzelne
Unternehmerpersönlichkeiten, die sich für die Kultur
engagieren. Das aus dem angloamerikanischen Raum
übernommene Sponsoring verspricht Vorteile für beide
Partner: Der Geförderte erhält eine punktuelle
Geldspritze, der Förderer eine ebenso punktuelle
Werbemöglichkeit. Diese zumeist kurzfristig orientierte
Kulturförderung ergänzt den Katalog der Werbemaßnahmen,
zeigt langfristig aber kaum Wirkung.
Wenige
Unternehmen binden sich über einen längeren Zeitraum an
eine Kulturinstitution. Kaum ein Unternehmen will abseits
der Ausstellungs- und Ausführungs-Highlights auch für das
Alltagsgeschäft der Kultur Verantwortung übernehmen.
Formen der langfristigen Kooperation wie die aus den USA
kommende Public-Private-Partnership sind in Deutschland noch
weithin unbekannt.
Die Stadt
Düsseldorf und die VEBA AG setzen daher mit ihrer im
Dezember 1997 begründeten Public-Private-Partnership neue
Maßstäbe in der deutschen Förderlandschaft. Hintergrund
dieser öffentlich-privaten Kooperation in Düsseldorf ist
die Gründung der Kunststiftung Ehrenhof, deren Ziel es ist,
das gleichnamige Düsseldorfer Ausstellungsgelände neu zu
beleben und damit den Kulturstandort Düsseldorf zu
stärken. Unternehmen und Stadt haben sich hier eine
gemeinsame Aufgabe gestellt, deren Herausforderung nur im
Verbund angenommen werden kann. Der Stadt fehlen die
finanziellen Mittel für den Kraftakt, das Museum und den
Kunstpalast zu einem neuen Identifikationspunkt mit
nationaler und internationaler Ausstrahlung zu entwickeln.
Für die VEBA bietet die Partnerschaft hingegen große
Chancen für die eigene Unternehmensentwicklung.
Die
Public-Private-Partnership knüpft an die historischen
Wurzeln des Ehrenhofs an, dessen Ensemble in verschiedenen
Bauschritten zu Anfang unseres Jahrhunderts aus dem
Zusammenspiel von Wirtschaft und Kultur entstand. Der
Kunstpalast selber geht zurück auf eine gemeinsame
Initiative seitens der Düsseldorfer Künstlerschaft,
Kulturverwaltung und Wirtschaft. Anlaß war die Industrie-,
Gewerbe- und Kunstausstellung 1902, die als großangelegte
Leistungsschau nicht ohne Stolz den Zusammenhang von Kunst,
Gewerbe und Industrie präsentierte. Aus den Quellen dieser
Zeit ist überliefert, wie gerne die Industrie ihrer
Schwester Kunst ein Haus gebaut habe. Nach der
Großausstellung schenkte man den Kunstpalast der
Düsseldorfer Künstlerschaft, wobei der weitere
Ausstellungsbetrieb großzügig von der rheinischen
Wirtschaft unterstützt wurde. Leider verlor sich in den
folgenden Jahrzehnten dieses fruchtbare Modell der
Ausstellungsförderung. Trotz der Bedeutung, die Düsseldorf
in den sechziger Jahren für die internationale Kunstszene
errang, und trotz einzelne vielbeachteter Ausstellungen
verkümmerte der Kunstpalast an der Seite des städtischen
Kunstmuseums. Weder die Künstler noch die städtischen
Kulturpolitiker vermochten es, den inzwischen maroden Palast
und mit ihm den gesamten Ehrenhof zu einem kulturellen
Mittelpunkt der Stadt werden zu lassen.
Vor diesem
Hintergrund begann die Stadt Mitte der neunziger Jahre,
Geldgeber für eine Neubelebung des nicht mehr
sanierungsfähigen Kunstpalastes zu suchen. Der Sponsor für
einen Neubau des Ausstellungsgebäudes sollte im Gegenzug
die Möglichkeit erhalten, ein an den Kunstpalast
angrenzendes Grundstück zu erwerben und zu bebauen. Als
neuer Nachbar sollte der Sponsor außerdem bereit sein,
Mittel für den laufenden Betrieb des neuen Kunstpalastes
zur Verfügung zu stellen. Die VEBA nahm diese Partnerschaft
an, denn es bot sich nicht nur eine gute Lage für das neue
Verwaltungsgebäude, sondern zugleich auch die Chance,
dieses in ein spannendes Kulturumfeld zu plazieren.
Als
selbständige und rechtsfähige Stiftung privaten Rechts
bietet die Kunststiftung Ehrenhof beiden Partnern einen
festen Rahmen der Zusammenarbeit, in den weitere Stifter
eingebunden werden können. Zweck der Stiftung ist
einerseits der Wiederaufbau des Kunstpalastes, andererseits
der Betrieb der verschiedenen kulturellen Einrichtungen am
Ehrenhof unter einer künstlerischen Leitung. Die Stiftung
hat das erklärte Ziel, den Ehrenhof zu einem kulturellen
Schwerpunkt in Düsseldorf auszubauen und ihm national wie
international neue Geltung zu verschaffen.
Kuratoren
ohne Einfluß
Das Vermögen
der Stiftung besteht zunächst aus dem Erlös des an die
VEBA verkauften Grundstücks, einem von der VEBA für den
Wiederaufbau des Kunstpalastes gestifteten Betrag von zehn
Millionen Mark und den von der Stadt für den Bau
eingebrachten acht Millionen Mark zuzüglich der vom Land
gezahlten Städtebauförderungsmittel in Höhe von 24
Millionen Mark. Hinzu kommen für den Stiftungsbetrieb
jährliche Zuwendungen der Stadt in Höhe von acht Millionen
Mark und Mittel der VEBA - zunächst für zehn Jahre - in
Höhe von zwei Millionen Mark. Darüber hinaus will VEBA als
Sponsor für die ersten drei Jahre des Betriebes weitere
drei Millionen Mark jährlich für besondere
Ausstellungsprojekte zuschießen. An der Spitze der Stiftung
steht der Vorstand, der aus ein bis drei Personen bestehen
kann und der die Geschäfte der Stiftung führt. Zur Zeit
setzt sich der Vorstand aus dem derzeitigen Leiter der
Kunsthalle, Jürgen Harten, und dem technischen
Beigeordneten der Stadt Düsseldorf, Helmut Rattenhuber,
zusammen, denen als kaufmännische Geschäftsführerin
Angela Eckert-Schweizer zur Seite steht.
Der Vorstand
wird beraten und überwacht von 14 bis 20 Kuratoren, welche
die Beachtung des Stiftungszwecks sicherzustellen haben.
Dabei ist - wohl nahezu einmalig für die deutsche
Museumslandschaft - ausdrücklich festgelegt, daß das
Kuratorium nicht in das Ausstellungs-, Veranstaltungs- und
Arbeitsprogramm der Stiftung hineinreden kann. Eine
Besonderheit ist auch die Zusammensetzung des Kuratoriums.
Weder die Stadt mit sieben Sitzen noch VEBA mit vier oder
die vom Kuratorium hineinzuwählenden Mitglieder mit drei
bis neun Sitzen haben die Mehrheit.
Neben den
rechtlichen und fiskalischen Vereinbarungen wird die
Kooperation der beiden Partner ganz wesentlich auch das
Alltagsleben im Ehrenhof und im VEBA-Gebäude bestimmen.
Ausgangspunkt dazu ist die aufeinander abgestimmte
Architektur für den neuen Kunstpalast und das
VEBA-Verwaltungsgebäude. Die Architektur von Oswald
Matthias Ungers erzählt den Besuchern schon auf den ersten
Blick von der engen Nachbarschaft zwischen Kultur und
Wirtschaft. Die VEBA selbst öffnet sich dem
Kunstinteressierten zudem durch einen öffentlich
zugänglichen Skulpturengarten sowie einer
Ausstellungsfläche im Bürohaus, der sogenannten Galerie,
die von den Kuratoren des Museums korrespondierend zu den
laufenden Ausstellungen bespielt werden soll.
Gegenwert
muß sein
Die VEBA wird
so in den Ausstellungsrhythmus des Kunstpalastes integriert
und offeriert Mitarbeitern und Besuchern gleichermaßen
wechselnde Anregungen. Über die Architektur, die
Ausstellungen und die gemeinsame Nutzung von Cafeteria und
Kantine ist ein reger Austausch zwischen Kultur und
Wirtschaft gewährleistet, dessen Reiz in der alltäglichen
Begegnung liegt.
Als
Publikumsgesellschaft kann die VEBA nicht wie
Gründerunternehmer zu Beginn unseres Jahrhunderts
Kulturförderung allein aus altruistischen Motiven
betreiben. Mit dem geförderten Projekt muß ein Gegenwert
verbunden sein, den ein Unternehmen seinen Aktionären
erklären kann. Im Falle des Ehrenhof-Engagements ist dieser
materielle Gegenwert das Grundstück.
Zweifelsfrei
ist jedoch, daß ein Unternehmen wie die VEBA seine
gesellschaftliche Verantwortung auch im Bereich der Kultur
wahrzunehmen hat. Bisher engagierte sich die VEBA vor allem
im Wissenschafts- und Ausbildungsbereich. Über die Rudolf
v. Bennigsen-Foerder-Stiftung wurde die Ausbildung junger
Akademiker in den neuen Bundesländern gefördert und an der
Berliner Humboldt-Universität ein Stiftungslehrstuhl für
Konzernmanagement finanziert. Auch hier sind die
Beweggründe nicht rein altruistisch, denn der VEBA und
ihren Töchtern kommen gut ausgebildete Nachwuchskräfte und
ein hohes Wissenschaftsniveau zugute.
Das
Engagement im Kunstbereich ist für die VEBA relativ neu,
vor allem in diesen Größenordnungen. Es gibt für die VEBA
eine Reihe von Gründen, dieses Neuland zu betreten.
1.
Standortpflege: Die VEBA AG hat in Düsseldorf Anfang der
siebziger Jahre eine neue Heimat gefunden. Sich hier
sichtbar zu engagieren lag für das Unternehmen nahe.
2.
Imagepflege: Das Projekt hat eine für das Unternehmensimage
relevante Größenordnung und Wirkung
Public-Private-Partnership ist eine neuartige Kooperation,
und das Projekt wird mit entsprechendem öffentlichem
Interesse begleitet. Der langfristige Aspekt der Kooperation
mit der Stadt paßt zum Image der VEBA.
3.
Weiterentwicklung der Unternehmenskultur: Das Projekt wird
auch durch die räumlich-physische Verbundenheit zwischen
Bürohaus und Museen eine starke Innenwirkung im Konzern
entfalten. VEBA schafft für seine Mitarbeiter eine wohl
einzigartige Arbeitsumgebung, eine Symbiose aus moderner
Architektur und historischer Kunststätte.
Mit dem
Engagement am Düsseldorfer Ehrenhof hat VEBA bewußt darauf
verzichtet, ein eigenes neues Museum zu bauen oder eine
eigene Sammlung zu gründen, die dann zu den städtischen
Institutionen in Konkurrenz getreten wäre. Vielmehr liegt
die Herausforderung der Kunststiftung Ehrenhof in der
Partnerschaft von Kultur und Wirtschaft, die beiden Seiten
einerseits Kompromisse abverlangt, andererseits viele neue
Erfahrungswerte bietet. Für beide Partner - für die Stadt
Düsseldorf und für die VEBA AG - liegen in der
Stiftungsform eine Reihe von Chancen, die es zu nutzen gilt.
In der
Öffentlichkeit wird die Kunststiftung Ehrenhof
beziehungsweise die Kooperation zwischen Stadt und VEBA
teilweise kritisch gesehen. Das liegt sicherlich mit daran,
daß das Projekt Ehrenhof ein ganz neuartiges
Organisationsmodell für die deutsche Kulturlandschaft ist.
Ein Teil der Diskussion wird durch die Frage bestimmt, ob
durch die Partnerschaft die Unabhängigkeit und Freiheit der
künstlerischen Leitung der Stiftung gewährleistet werden
kann. Das Düsseldorfer Modell hat jedoch die rechtlichen
Verbindlichkeiten und das finanzielle sowie strukturelle
Potential zu beweisen, daß eine langfristig angelegte und
rechtlich abgesicherte Kooperation zwischen Kultur und
Wirtschaft, zwischen öffentlicher Hand und privaten
Unternehmen tragfähig ist - ohne die Kulturfreiheit
einzuschränken.
Gerade in
Zeiten, in denen der Kulturbetrieb durch den Rückzug des
Staates vielfach in seinem Lebensnerv getroffen wird, sind
beide - Staat und Unternehmen - noch stärker als zuvor
aufgefordert, miteinander neue Wege zu gehen. Die
Zusammenarbeit von VEBA und der Stadt Düsseldorf ist vor
diesem Hintergrund zukunftsweisend.
Der Beitrag
erschien erstmals 1998 in der Serie "Kunst als
Avantgarde der Ökonomie: Neue Wege der Zusammenarbeit
zwischen Kultur und Wirtschaft" im "Rheinischen
Merkur".